Wer zahlt den Schaden, wenn der 6-jährige Nachbarsjunge beim Fußballspielen das Kellerfenster kaputt macht oder dein dementer Großvater versehentlich dein neues Smartphone ins Wasser wirft? In der Welt der Versicherungen gibt es dafür den Begriff "Deliktunfähigkeit". In diesem Artikel erfährst du alles Wichtige zur Bedeutung der Deliktunfähigkeit in der Haftpflichtversicherung.
Nach deutschem Recht gelten Kinder unter sieben Jahren grundsätzlich als deliktunfähig. Das bedeutet, sie können für Schäden, die sie verursachen, nicht haftbar gemacht werden. Wenn also das 5-jährige Nachbarskind den Fußball durch dein einfach verglastes Kellerfenster schießt, sind die Eltern nicht haftbar und müssen den Schaden nicht ersetzen. Haben die Eltern eine Privathaftpflicht für ihre Kinder abgeschlossen, deckt diese auch Schäden von deliktunfähigen Kindern ab.
Beschränkte Deliktsfähigkeit trifft auf Kinder und Jugendliche zwischen dem 7. und dem 18. Lebensjahr zu. In diesem Alter sind sie nicht mehr vollständig deliktunfähig, sondern beschränkt deliktsfähig. Diese beschränkte Deliktsfähigkeit bedeutet: Sie können für Schäden haftbar gemacht werden, sofern sie die Folgen ihres Handelns erkennen können.
Eine 14-Jährige, die beim Radfahren ein parkendes Auto beschädigt, kann also durchaus zur Rechenschaft gezogen werden. Vorausgesetzt, sie kann die Folgen ihrer Handlungen einschätzen. Diese beschränkte Deliktsfähigkeit endet mit dem 18. Lebensjahr. Ab dann sind alle Personen voll deliktsfähig und für ihr Handeln verantwortlich. Ab dem 18. Lebensjahr spielt die Einsichtsfähigkeit keine Rolle mehr.
Es gibt jedoch auch einige Ausnahmen, in denen Erwachsene als deliktunfähig eingestuft werden können. Fortgeschrittener Alkoholgenuss führt jedoch nicht zur Deliktunfähigkeit.
Abdeckung von Schäden durch deliktunfähige Kinder im Relax- und Balance-Tarif
Generell gilt, dass auch Erwachsene deliktunfähig sein können, wenn sie die Tragweite ihrer Handlungen nicht verstehen können. Das trifft in der Regel zu, wenn sie nur begrenzte geistige Fähigkeiten aufgrund einer Erkrankung oder einer angeborenen Behinderung haben.
Wichtiger Tipp: Stelle sicher, dass die Klausel zur Deliktunfähigkeit in deinem Vertrag auch für deliktunfähige erwachsene Familienmitglieder gilt. Das wird besonders wichtig, wenn du die Betreuung von Familienmitgliedern mit Demenz oder geistigen Beeinträchtigungen übernimmst.
Alkohol- und Drogenmissbrauch führen nicht automatisch dazu, dass ein Erwachsener als deliktunfähig gilt. Hat eine erwachsene Person sich durch übermäßigen Alkohol- oder Drogenkonsum selbst in einen komatösen Zustand versetzt, ist sie laut Gesetz nicht deliktunfähig. In diesem Fall handelt es sich stattdessen um grobe Fahrlässigkeit. Die Ausrede, man könne für einen Schaden nicht verantwortlich gemacht werden, weil man ja nach dem ausgiebigen Feiern im Club betrunken gewesen sei, funktioniert also nicht.
Verursacht eine erwachsene Person im betrunkenen oder berauschten Zustand einen Schaden, ist sie deliktunfähig, wenn ein Dritter diesen Zustand herbeigeführt hat. Ein komatöser Zustand durch die strafrechtlich relevante Gabe an Unwissende führt zur Deliktunfähigkeit der unwissenden Person.
Die folgende Tabelle gibt dir einen Überblick über alle Formen von Deliktunfähigkeit laut deutschem Recht.
Alter/Zustand | Deliktsfähigkeit | Haftung | Beispiel |
---|---|---|---|
Unter 7 Jahren | deliktunfähig | keine persönliche Haftung, Haftung über Eltern möglich, wenn Aufsichtspflicht verletzt | Ein 5-jähriges Kind wirft einen Ball durch ein Fenster. |
7 bis 18 Jahre | beschränkt deliktsfähig | Haftung, wenn das Kind die Folgen seines Handelns verstehen konnte | Ein 14-jähriges Kind beschädigt beim Fahrradfahren ein parkendes Auto. |
Über 18 Jahre | voll deliktsfähig | volle Haftung für eigenes Handeln | Ein 25-Jähriger beschädigt beim Umzug das Eigentum eines Freundes. |
Geistige Beeinträchtigung / Demenz | kann als deliktunfähig angesehen werden | keine persönliche Haftung, Haftung über Betreuer möglich, wenn Aufsichtspflicht verletzt | Ein Erwachsener mit Demenz verursacht durch Vergesslichkeit einen Wasserschaden. |
Unter Alkohol-/Drogeneinfluss | kann als deliktunfähig angesehen werden | normalerweise volle Haftung, da der Zustand selbst verschuldet ist | Ein Erwachsener verursacht unter Alkoholeinfluss einen Autounfall. |
Moderne Privathaftpflichtversicherungen enthalten heute eine Deliktunfähigkeitsklausel. Diese sorgt dafür, dass deine Versicherung auch dann einspringt, wenn deliktunfähige Personen, die über deinen Vertrag mitversichert sind, bei jemand anderem einen Schaden verursachen. Das können zum Beispiel deine Kinder oder mit dir im Haushalt lebende Großeltern sein, die du in deiner Familienhaftpflichtversicherung mitversicherst.
Diese wichtige Klausel kann so manche Freundschaft erhalten – oder zumindest für weniger Ärger sorgen. Laut Gesetz würde in diesen Fällen kein Anrecht auf Schadensersatz bestehen aufgrund der Deliktunfähigkeit bei jüngeren Kindern:
Ist der deliktunfähige Schadenverursacher nicht haftpflichtversichert oder enthält der Haftpflichtvertrag keine Klausel zur Deliktunfähigkeit, greift dann die Forderungsausfalldeckung der eigenen Privathaftpflicht? Leider nein! Die Forderungsausfalldeckung kann nicht bei einem Schaden durch eine deliktunfähige Person in Anspruch genommen werden.
Grund hierfür ist die fehlende Forderung. Da das Kind oder der Erwachsene deliktunfähig ist, entsteht nach dem Gesetz keine Forderung. Es besteht also kein berechtigter Anspruch auf Schadenersatz. Und wo kein Anspruch besteht, da gibt es auch keinen Forderungsausfall zu zahlen, so die Begründung. Genau aus diesem Grund gibt es die Deliktunfähigkeitsklausel in neueren Haftpflichtverträgen. Sie schließen eine Lücke für die Entschädigung bei Deliktunfähigkeit, die aufgrund des geltenden Rechts besteht.
Eltern müssen den Schaden ihrer deliktunfähigen Kinder unter 7 Jahren nicht begleichen, wenn sie ihre Aufsichtspflicht nicht grob verletzt haben. Im Straßenverkehr gelten sogar Kinder unter zehn Jahren als deliktunfähig. Mit einer Haftpflichtversicherung für Kinder werden diese Schäden allerdings trotzdem von der Versicherung bezahlt.
Kinder bis 18 Jahre werden in einem Versicherungsfall nachdrücklich auf ihre Einsichtsfähigkeit für den individuellen Fall geprüft. Bei der Feststellung, dass diese Einsicht fehlt, liegt ebenfalls Deliktunfähigkeit vor. In komplizierten Fällen prüfen Versicherungen, Gerichte und Sachverständige den Versicherungsfall.
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